Ich lasse nicht gerade die schwarz-rot-goldene Flagge im Wind flattern, wenn ich in London mit der Kamera unterwegs bin. In Westminster oder gar in der City finde ich kaum ein Gebäude, dass nicht von der Deutschen Luftwaffe zerstört worden ist. Die Londoner haben ihre Innenstadt nach dem Krieg wiederaufgebaut, was nicht vergessen ist, aber mir gegenüber niemals erwähnt wurde. An manchen Orten hat man tiefe Löcher in den Wänden belassen, die durch Fliegerbombensplitter entstanden sind. Für mich war das alles neu und überraschend, denn in der Schule hat man mir nie über den ‘Blitz’*)erzählt, der London binnen eines dreiviertel Jahres in Schutt und Asche gelegt hat.

*) ‘The Blitz’ bezeichnet die Angriffe der deutschen Luftwaffe auf Großbritannien während der Luftschlacht um England. London wurde zwischen dem 7. Sept. 1940 und 16. Mai 1941 fast täglich und vor allem in der Nacht heftigst bombardiert. Der verheerendste Angriff auf die Londoner City verursachte einen Feuersturm und fand am Vorabend des Weihnachtsfestes 1940 statt. Rund 43.000 Zivilisten fielen dem Blitz zum Opfer und über eine Million Häuser wurden schwer beschädigt oder zerstört. – Und wer jetzt sagt: “Dasselbe haben die Briten und Amerikaner in Hamburg gemacht”, dem muß ich die Frage stellen: “Und wer hat angefangen?”.

Mein Heimatland kann und will ich aber nicht verschweigen, dafür gibt es keinen Grund und es ist mir in London auch gar nicht möglich. Mein “Hello, how are you?” reicht aus, um die Gegenfrage “You are from Germany?” zu hören. Egal, wie ich es versuche, mein lupenreines Schulenglisch verrät mich sofort. Der charmante Engländer bestätigt mir meine Vermutung mit der Bemerkung “It’s your lovely accent”, was mir sofort ein wohliges Gefühl gibt. ‘Lovely’, wow, was für ein nettes Kompliment. (Nicht täuschen lassen, das ist die übliche, freundliche Umschreibung für ‘unter aller Kanone’.) Tatsächlich spricht kein Londoner dieses ‘Hoch-Englisch’, das machen ausschließlich deutsche Bildungstouristen und die Member of the Royal Family. Wobei sogar die sich neuerdings um einen alltagstauglichen Slang bemühen. Aber auch sie können ihre Herkunft nicht verleugnen, eigentlich stammen sie ja auch aus Deutschland, -was ich in London niemals erwähnen würde-, mir von den Londonern aber gerne mitgeteilt wird. Und damit bin ich beim Thema. Erstens will ich Sie heute mit nach South Kensington nehmen, also dorthin, wo die Windsors residieren, und zweitens habe ich in dem Stadtteil eine bemerkenswerte Verknüpfung zu meiner Heimatstadt Hamburg entdeckt. Mein Ziel lag im südlichen Hyde Park, oder genauer gesagt in den Kensington Gardens. Dort ist die Royal Albert Hall zu finden und davor steht ein Denkmal, so groß, als wäre es ein Raumschiff. Es hat den Namen ‘Albert Memorial’.

 

 

Da thront er, der viel zu jung verstorbene, deutsche Ehemann von Queen Victoria. Ihre Ehe war ein Fest der Sinne. Victoria ließ keinen Zweifel daran, dass sie den nächtlichen Sex mit Albert in vollen Zügen genoss. Umso schmerzlicher muss es gewesen sein, als er völlig überraschend, im Alter von 42 Jahren, starb. Er hatte sich mit Typhus infiziert. Victoria wurde mit dem Verlust nicht fertig, trauerte jahrzehntelang um den verlorenen Gatten, und fing an, Denkmäler aller Art in Auftrag zu geben. Eines der ersten war das Albert Memorial, das ihn unter einem 60 Meter hohen Baldachin, getragen von vier Säulen, zeigt. Albert sitzt auf einer Truhe, hält ein aufgeschlagenes Buch in der Hand und schaut Richtung Süden, in den Stadtteil South Kensington. Der ist inzwischen auch unter dem Namen ‘Albertopolis’ bekannt, denn die Witwe ließ dort etliche Häuser im Gedenken an ihren Mann errichten. Eines schöner als das andere und auf jeden Fall einen Besuch wert, wenn man sich auch nur ein wenig für Architektur interessiert. Die Highlights sind sicherlich die Museen, darunter das faszinierende Natural History Museum, das mithilfe der Erlöse aus der Londoner Weltausstellung erbaut wurde.

Seiten: 1 2