22. April 2000

Das Wochenende hatte begonnen. Der 22. April 2000 war ein Samstag und viele Londoner hatten den Freitagabend im Pub verbracht. So mancher hatte noch Kopfschmerzen, andere waren klüger und hatten rechtzeitig den Rückzug angetreten. Was zugegebenermaßen nicht einfach ist, denn es gilt als höchst unfair, wenn man sich vor seiner Runde drückt. Bier, Cider oder was auch immer wird grundsätzlich von einem für alle gekauft. Und so hat man das Problem, dass man in kurzen Abständen ein neues Glas hingestellt bekommt. Verbringt man den Abend mit sagen wir mal fünf Freunden, dann geht die jeweils sechste Runde auf einen selbst. Und da kann man natürlich nicht kurz vorher aussteigen. Sobald der Erste sein Glas geleert hat, marschiert man los und holt den Nachschub von der Bar ab. Übrigens, muss man stets sofort zahlen und falls man Trinkgeld geben möchte, dann bitte nicht bar, sondern als Gratisgetränk für den Wirt.

Nun aber zurück zum 22. April im Jahr 2000. Ein Tag, den die Londoner fürchteten, denn sie mögen keine Neuerungen. Und schon gar keine, die radikaler Art sind. Genau das stand ihnen damals bevor, denn am 22. April fand der ‘Big Number Change’ statt. Über Nacht hatte sich der ‘subscriber trunk dialling’ *), kurz STD, für den Großraum London geändert. Ab sofort galt die telefonische Vorwahl 020 und das musste erst einmal verdaut werden. Vorher gab es unterschiedlich Nummern, falls man einen Londoner von außerhalb des Stadtgebietes anrufen wollte. Die meisten begannen dann mit 0171 oder 0181. Wohlgemerkt Festnetz, denn irgendwie klingen die inzwischen nach mobilen Telefonieren. 

Die Londoner mussten sich lediglich die neue Vorwahl notieren, falls mal jemand danach fragen sollte. Der Rest der Insel war mehr beschäftigt, denn sie durften ihre programmierten Telefonnummern im Speicher korrigieren. Das war ohne Frage die größere Herausforderung. Und als man dann Stunden später damit fertig war, wurde es schon wieder Zeit für den Pub. Dort konnte man dann den ganzen Abend über die aufregenden Geschehnisse berichten. Und vermutlich wurde STD dann nur noch mit dem üblichen ‘subscriber toll dialing’ bezeichnet. Was aber nichts ändert.

*) Ich weiß gar nicht, wie man ‘subscriber trunk dialling’ korrekt übersetzt, aber gemeint ist der Selbstwählerdienst. Also statt das Fräulein beim Vermittlungsamt, um Hilfe zu bitten, konnte man ab Ende der 50-er Jahre selbst die telefonische Verbindung zu einem Teilnehmer in einer anderen Stadt herstellen. Übrigens, falls Sie London von Deutschland aus erreichen möchten, dann klappt es aus dem Festnetz mit 0044 20 xxxxxx.