Top Ten englischer Städte, nach Einwohnerzahl sortiert.

In Deutschland soll die Einbürgerung erleichtert werden. Statt acht nur noch fünf Jahre Wartezeit. Die Konservativen fürchten ums Vaterland und sind deshalb dagegen. In England gilt schon lange die 5-Jahre-Wartezeit, es sei denn man heiratet in die königliche Familie ein, dann geht es deutlich schneller. Die Fragen, die man im Test beantworten muss, sind nicht schwer bis auf die kniffligen Sachen aus der Abteilung Sport. “Who became the first Briton to win the Tour de France?” oder “Who captained the British Cricket Team and holds the records for batting and for bowling?”. Da muss ich gleich zweimal passen und kann nur murmeln: “I have no idea and who cares?”

Der UK citizenship test ist trotzdem eine meiner Lieblingslektüren. In dem kleinen Buch findet man alles, was man über die Insel wissen sollte und das auf nette Weise erklärt und hübsch gegliedert. Perfekte Einstimmung, wenn man bei den Engländern Urlaub machen will. 

Mein Freund George kam in Birmingham zur Welt und lebt seit vielen Jahren in London. Trotzdem ist er nicht sattelfest im Test. Aber die Sportfragen könnte er auch nachts noch fehlerfrei beantworten. Deshalb kann ich die beiden Namen nachliefern: Bradley Wiggins ist der erfolgreiche Radfahrer und Ian Botham war und ist der Cricket Gott, der seinem Namen längst den ‘Sir’ voranstellen darf.

George weiß nichts über Englands Geschichte und lenkt sofort ab, wenn ich ihn frage, wo, wann und warum die ‘Glorious Revolution’ stattfand. Vermutlich tippt er auf den Brexit, stellt mir aber lieber gleich eine Gegenfrage: “Where can you meet the appleknockers? And the monkey hangers? And can you tell me where the yellowbellies live?” Ich schüttele den Kopf, nie gehört und überhaupt, gibt es diese Namen? “Hast du es dir gerade ausgedacht?” Nein, hat er nicht. Der ‘appleknocker’ ist auf der Isle of Wight ansässig und wird auch gerne als ‘caulkhead’ bezeichnet. Den ‘monkey hanger’ findet man in und um Hartlepool und einen ‘yellowbelly’ trifft man in Lincolnshire. Und damit sind wir im Thema, nämlich in den regionalen Eigenheiten der Engländer.

Grafik: Brigitte Peters

Es gibt 9 Regionen, die in etliche kleinere Verwaltungseinheiten aufgeteilt sind. Aber die grobe Einteilung betrifft immer diese 9 Regionen. Wohlgemerkt in England, was wiederum eine der vier UK-Nationen darstellt: Scottland, Wales, Northern Ireland and England.

Geht man ins Detail, fallen sofort Eigenheiten auf, die in Deutschland nicht zu finden sind. Etwa die Konzentration auf London bzw. Greater London. Eine Weltstadt mit 9 Millionen Einwohnern (die Region zählt über 14 Millionen), aber eben auch die einzige wirkliche Großstadt in England. Auf Platz zwei liegt Birmingham mit etwas mehr als 1 Million Einwohnern. Danach kommen relativ kleine Städte (siehe Liste oben), die nicht mehr Bewohner zählen als ein großer Bezirk innerhalb meiner Heimatstadt Hamburg.

Ähnlich sieht es mit der Verteilung des Reichtums aus (siehe Liste unten). Alles konzentriert sich auf London. Inzwischen auch auf den Südosten, denn dorthin weichen die Londoner aus, weil in ihrer Stadt die Immobilienpreise nicht mehr zu bezahlen sind. Der Norden blutet aus, fühlt sich berechtigterweise von den Politikern vergessen. Früher investierte man in Manchester oder Leeds. Dort standen die Fabriken und dort wurde auch Steinkohle gefördert. Heute sieht das anders aus. Lediglich Birmingham hält Anschluss, wenn auch mit viel Mühe. Die dringend benötigte Highspeed Eisenbahnverbindung nach London sollte längst fertig sein. Man verzögert aber immer wieder den Baufortschritt, denn die Strecke kostete Milliarden Pfund, die man eigentlich nicht hat.

Sollten sich die Schotten von England lossagen, dann bleibt nicht viel übrig. Politisch würde sich Nord-Irland gerne anschließen und selbst Wales überlegt sich den Austritt. Gemeinsam würde man versuchen, schnellsten wieder Aufnahme in der EU zu finden. Aber noch sind das lediglich Träume, denn gerade hat der oberste englische (!) Gerichtshof den Schotten das Recht zur Abstimmung verweigert. Damit rückt der Plan in weite Ferne, es sei denn, man kümmert sich nicht länger um die Vorgaben aus England, genauer gesagt aus London. Auch hier erkennt man die recht undemokratische Sichtweise der Engländer. Jede Nation hat ihr eigenes Parlament in der eigenen Hauptstadt. Nur die Engländer verzichten auf dieses Privileg, weil sie nämlich das übergeordnete britische Parlament stillschweigend als ihr nationales betrachten. Zahlenmäßig haben sie in beiden Häusern (House of Commons und Lords) die Mehrheit und das genügt ihnen, um ihre englischen Angelegenheiten stets in den Mittelpunkt zu rücken. Und so wie sich die kleineren Nationen von England gegängelt fühlten, so empfinden längst auch die englischen Regionen gegenüber dem Zentrum London.

Schaut man sich die Karte an und radiert Schottland, Wales und Nord-Irland in Gedanken weg, bleibt nicht mehr sehr viel übrig. Dann wäre das einst weltumspannende gloriose Königreich tatsächlich auf neun Regionen zusammengeschrumpft. Die verbleibenden gut 56 Millionen Engländer liegen dann deutlich hinter den 68 Millionen Franzosen, aktuell liegt man als United Kingdom noch gleich auf. Fortschritt führt eigentlich zu Wachstum, also in die andere Richtung. – Eins muss ich noch loswerden. Es scheint meine ganz persönliche Macke zu sein, aber jedes Mal, wenn ich auf die Karte schaue, reibe ich mir die Augen. Ich weiß nicht warum, bin aber über die geografische Lage von Irland stets aufs Neue überrascht. Tief in meinem Hirn habe ich es südwestlich von England verortet, in gerader Fortsetzung der Landzunge von Cornwall. Und obwohl ich nun schon etliche Male darüber gestolpert bin, stellt sich das Staunen prompt wieder ein. Gut, dass ich kein Vogel bin, da hätte ich wohl ziemliche Reiseprobleme.

 

Englands Regionen: Einwohner, durchschnittliches Einkommen

 

Gehälter in London

London ist vom Dienstleistungsgeschäft geprägt. Es gibt nur wenig Produktion, aber sehr viel Tourismus und deshalb auch Gastronomie, Hotels, Theater und Museen. Unzählige Taxifahrer, Busse und U-Bahnen. Vor jedem Hauseingang steht jemand mit Schaufel und Besen und fegt auch den letzten Fussel vom Gehweg. An den Bahnhöfen warten Mitarbeiter auf gestrandete Passagiere und helfen ihnen weiter. Also Leute wie mich, die in der automatischen Zugangssperre stecken bleiben, weil sich der Rucksack eingeklemmt hat. Dann kommen die freundlichen Helfer und weisen auf den extra breiten Durchgang an der Seite hin. Gedacht für Passagiere mit Kinderwagen, Koffertrolley oder XXL-Rucksack. Dieses Heer von diensteifrigen Frauen und Männern machen einen großen Teil der Londoner Bevölkerung aus. Nicht zu vergessen alle im Verkauf tätigen. Ihre Gehälter liegen deutlich unter dem Londoner Durchschnitt, der 38.992 Pfund pro Jahr betragen soll. In einem großen Hotel, 4 Sterne, kann man als Bedienung im Restaurant ein Jahresgehalt von 22.000 Pfund erwarten. An der Rezeption verdient man auch mehr und ein gelernter Jung-Koch kann ein Anfangsgehalt von 25.000 Pfund verlangen. Das sind umgerechnet 2.400 Euro pro Monat, brutto. Da muss man schon suchen, um eine passende Wohnung zu finden. Die meisten werden sich ein Appartement teilen oder gleich auf Zimmersuche gehen.

Echte Großverdiener sind Londoner Tube Driver. Sie bekommen 60-65.000 Pfund pro Jahr. Warum sie trotzdem dauernd streiken, haben sie mir bisher nicht verraten. Das ist eine exzellente Bezahlung und vergleichbar mit dem Gehalt eines Stationsarztes im Krankenhaus. Für die Busfahrer zahlt Transport for London deutlich weniger, ungefähr 35.000 Pfund pro Jahr. Eigentlich ist ihr Arbeitstag viel nerviger, aber vielleicht bekommen die U-Bahn Fahrer eine Angstzulage. Denn die Röhren, durch die sie fahren, sind wirklich eng und wirklich duster. Also stundenlang durch Londons Untergrund zu rauschen, kann möglicherweise eine verdammt harte Herausforderung sein.

Übrigens ist es strengstens verboten über Gehälter, Mieten oder geplante Scheidungen zu sprechen. Grob unhöflich und deshalb ein Tabu für den small talk.