Niemand ist davon überrascht, dass König Charles bei der Planung seiner Krönung darauf achtet, dass die Werte, für die er immer einstand, berücksichtigt werden. Er selbst drückt es ganz einfach aus, wenn er sagt: “I am just an ordinary person in an extraordinary position.” Er will kein Protz, duldet keine Verschwendung und ist fest davon überzeugt, dass wir alle Teil der Natur sind und deshalb mit ihr gedeihen oder untergehen. Manchmal übertreibt er es mit der Sparsamkeit, besonders wenn es um seine persönliche Kleidung geht. Da greift er gerne auf einen ziemlich schlecht sitzenden Mantel zurück, vermutlich reine Wolle, die bei Feuchtigkeit wie der sprichwörtliche ‘nasse Sack’ herunterhängt, und dieses Stück trägt er meiner Beobachtung nach seit Jahrzehnten. Vermutlich fühlt er sich darin wohl und sieht keinen Grund, ihn auszutauschen. Natürlich kümmern sich Heinzelmännchen um den Erhalt und nähen, falls nötig, nachts die Knöpfe wieder an oder bessern ein Loch am Ärmel aus. So perfekt, dass es hinterher  niemandem auffällt.

Wir haben alle längst aus der Zeitung erfahren, dass die Krönungsfeier mächtig gestutzt wurde. Der Gottesdienst in der Kirche wird von 3 Stunden auf 90 Minuten eingedampft. Die Zahl der anwesenden Gäste von über 8.250 (bei seiner Mutter 1953) auf knapp 2.000. Die Strecke der Paradefahrt in der Goldenen Kutsche betrug damals noch 7,2 km quer durch London und wird diesmal deutlich kürzer ausfallen. Damals hatte man die Route bewusst ausgeweitet, damit so viele Zuschauer wie nur irgend möglich Augenzeuge werden konnten. Zwei Stunden lang rollte man durch London. Diesmal geht es die Whitehall entlang, dann in die Mall und schon verschwindet der Zug im Buckingham Palace. Eigentlich unverständlich, aber es soll handfeste Gründe geben. Die Golden State Coach, die einige Tonnen wiegt, ist in einem miserablen Zustand. So wird von offizieller Seite gemunkelt. Man fürchtet ernsthaft ihren Zusammenbruch und das wäre wohl der Super-Gau schlechthin. Und das, obwohl sie ohnehin stets nur in Schrittgeschwindigkeit dahin trudelt. Man kann das Ungetüm auch kaum reparieren oder etwas an der fehlenden Federung verbessern. Darüber hatte schon Queen Elizabeth geklagt und die war damals auf ihrer Tour gerade mal 26 Jahre alt. Ihr Sohn und seine Ehefrau sind fünfzig Jahre älter und das gilt auch für ihre Bandscheiben. Der Sitzkomfort in der Kutsche muss grausig sein, so als würde man auf einer Stahlplatte sitzend über die Straßen schlittern. Und die Londoner Straßen sind eine holperige Angelegenheit, das kann jeder testen, wenn er auf einen der alten Busse wartet, die noch immer auf der Linie 15 verkehren. Da wird man dann auf den brettharten Sitzen aus den Sechzigerjahren durchgeschüttelt. Stoßdämpfer hat es damals offensichtlich noch nicht gegeben oder man findet keinen Ersatz mehr. Immerhin bietet die Linie Aussicht auf viele der schönsten Gebäude, was die Tortur ein wenig attraktiver macht.

 

Mit dem alten Bus nachts durch London. Man kann sogar während der Fahrt zusteigen und falls man den Fahrer signalisieren will, dass er halten soll, dann zieht man an einer dünnen Schur. Die führt durch den ganzen Bus bis zu ihm nach vorn, wo dann eine Glocke bimmelt, die dort angebunden ist. Genial.

 

Inzwischen wurde ein neues Gerücht laut. Den Vertretern des englischen Hochadels, und das sind ausschließlich Männer, wurde untersagt, dass sie ihren Krönungsmantel tragen. Sie sollen bitte im Anzug erscheinen oder bestenfalls mit der roten Robe, die die Mitglieder des House of Lords tragen, wenn der König zu Besuch ist. Na, die haben nicht schlecht gestaunt. Ihr Krönungsmantel ist Teil ihres Erbes. Er wird meistens nur wenige Stunden im Leben des Erben getragen, nämlich ausschließlich während einer Krönungszeremonie in der Westminster Abbey. Man vererbt das kostbare Stück von Vater auf Sohn und mancher Mantel ist hunderte von Jahren alt. Der ruht unter einer dicken Schicht Mottenkugeln, gut geschützt in einem dichten Metallkoffer, indem er vor langer Zeit einmal angeliefert wurde. Durch das Verbot entfällt die feine, aber deutlich sichtbare Unterscheidung der Ränge. Für Normalbürger kaum zu erkennen, aber unter den Wohlgeborenen bestens bekannt. Die Barone, der niedrigste Rang, schmücken ihren Kopf mit einem Band, an dem sechs silberne Bälle baumeln. Viscounts, Earls, Marquesses oder gar Dukes dürfen selbst eine Krone tragen. Das würde natürlich zum dunklen Anzug eher albern aussehen. Also ist man in heller Aufruhr und ganz plötzlich haben die adligen Herren dasselbe Problem wie jeder Engländer. Es stellt sich ihnen nämlich die Frage: “Was soll ich bloß anziehen?”

Ganz nebenbei wurde auch bekannt, dass der heilige Akt der Salbung nicht im Fernsehen übertragen wird. Da hält es Charles genauso, wie es schon seine Mutter tat und das finde ich sehr vernünftig. Man kann heiligen kirchlichen Bräuchen kritisch gegenüberstehen, aber man sollte sie nicht profanisieren. Das ist der schwierige Grat, den Charles entlang balanciert. Er versucht den königlichen Haushalt so bodenständig wie möglich zu machen, kann aber auf Protz gar nicht verzichten. Würde der Palast mit Möbeln von IKEA bestückt werden, wäre niemand mehr an einer Besichtigung interessiert. Ich denke das weiß er selbst und ich traue ihm zu, dass er die schwierige Aufgabe meistern wird. Für ihn ist es übrigens die zweite Krönungsfeier, denn er war zumindest zeitweise bei seiner Mutter im Jahr 1953 anwesend. Damals im zarten Alter von viereinhalb Jahren. Und er hat damals einen Rekord gesetzt, denn er war das allererste Kind, dass bei einer solchen Zeremonie offiziell eingeladen wurde. Übrigens, mit einer speziellen, handgemalten Karte, die ein paar Märchenmotive zeigte. Daran kann er sich noch heute erinnern, so ist das mit netten Gesten. Sie wirken jahrzehntelang.

 

Credit: Buckingham Palace. – Die offizielle Einladung zur Krönungsfeier. Einen Augenblick hatte ich Lust in schönster Schrift meinen Namen einzutragen, aber das wäre bestimmt aufgefallen. Die Organisation der gesamten Krönung ist traditionell Aufgabe des Duke of Norfolk und deshalb steht sein Name auch unter dieser Einladung.

 

PS: Als ich den Beitrag schrieb, kam George nach Hause. Wie so oft brauchte ich seinen Rat. Ich kam bei der Rangfolge des Adels ins Schwimmen, konnte mich an einige Titel gar nicht erinnern. Er schnurrt es runter, das lernen die Engländer vermutlich schon in der Vorschule. Und dann kam er ins Schwärmen, erinnerte sich an die Krönung der Queen. Was? Das hast du erlebt? Ja, er war dabei, zwar noch im Knabenalter, aber die Eindrücke sind gespeichert und jederzeit abrufbereit. Damals lebte er noch gar nicht in London, wurde aber vom Vater eines Freundes mitgenommen, der Taxifahrer war und beschlossen hatte, kurzerhand hinzufahren. Alleine das war schon ein Erlebnis. Und dann, als er in der Fleet Street stand, und auf die Reiter und die Kutsche wartete, da drängte sich eine Frau neben ihn. Sie war jung, bildschön und hatte einen Fotoapparat, was damals große Beachtung fand. Weil sie so schön war, hatten die Männer ihr gerne Platz gemacht. Diese Dame konnte ihnen gar nicht nah genug auf den Pelz rücken. Ein paar Jahre später war die Begegnung vergessen, aber der Anblick war George noch immer sehr präsent. Und deshalb erkannte er die Frau sofort, als sie plötzlich auf allen Titelseiten zu sehen war. Als er neben ihr am Londoner Straßenrand stand, war ihr Name Jacqueline Bouvier und sie arbeitete als Journalistin, was die teure Kamera erklärte. Als sie aber in den Zeitungen erschien, war sie inzwischen die First Lady of the United States, bekannt als Jackie Kennedy. Ob ich George die Story glauben soll, weiß ich noch nicht so recht. Aber sie hat eine Pointe und gefällt mir, deshalb erzähle ich sie hier weiter.

Und überhaupt, so alt ist er doch noch gar nicht! Das hat ihm wohl sein Vater erzählt. Egal, trotzdem gut.