Ich bin so aufgeregt, dass ich schon gar nichts mehr essen kann. Mein erster Gedanke beim Aufwachen: “Wie viele Tage sind es noch?” Herrjemine, nur noch eine Woche! Die Tatsache, dass die Krönung gar nicht mir widerfährt, ich noch nicht einmal anwesend sein werde, beruhigt mich erst während des Zähneputzens. Wie es wohl Charles und Camilla gehen mag? Die sind zwar einiges gewohnt, aber ich denke, das nächste Wochenende wird auch für sie eine Herausforderung.

Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Gestern wurde der ‘Krönungsstein’ auf die Reise geschickt. Eine merkwürdige Sache. Der klobige Felsbrocken wird von den Schotten bewacht. Im Schloss von Edinburgh, im Crown Room, wird er aufbewahrt. Schwer bewacht, denn ohne ‘Stone of Scone’, keine Krönung. Ende des 12. Jahrhunderts hatte King Edward I. den schweren Brocken mit nach London genommen und einfach behalten. Wie das so ist, wenn man Sachen verleiht. Erst 700 Jahre später (1996) kehrte der Stein nach Schottland zurück. Sir John Mayor, damals britischer Premierminister, hatte es veranlasst. Einige Jahre vorher ereignete sich eine sehr britische Episode, die ich auf keinen Fall verschweigen will. Damals in den Fünfzigerjahren hatten ein paar schottische Studenten die Nacht in London gefeiert. Zum Abschluss wollten sie noch schnell eine Heldentat vollbringen. Irgendwie gelang es ihnen, den Stein zu klauen und nach Schottland zurückzubringen. Ein Wunder, dass es nicht schon damals zur Trennung kam. Vielleicht gelingt es diesmal. Denn als gestern der Stein höchst feierlich auf den Weg nach England geschickt wurde, natürlich von TV-Kameras begleitet, lieferten die Schotten eine merkwürdige Inszenierung ab. Der schwere Fels lag transportbereit auf dem Boden, dahinter vier Soldaten in historischen Uniformen und vorneweg natürlich ein Dudelsack-Spieler. Nur die Soldaten, die den Stein dann anhoben und fortbewegten, trugen ziemlich flatterige Trainingsanzüge. Ein Affront sondergleichen. Die Engländer an den Fernsehschirmen mussten sich erst einmal einen Tee brühen, um den Schreck zu verdauen. Klare Sache, das war gewollte Provokation. Die Schotten hoffen auf Rausschmiss aus dem Vereinigten Königreich, um sich die Abstimmung zu sparen.

 

Der wertvolle Coronation Chair ist ganz schön ramponiert. Protestierende Frauenrechtlerinnen sprengten einen Teil der Lehne weg (Nein, nicht die letzte Generation, sondern Suffragetten). Im Mittelalter haben Höflinge ihr Logo in die Rückenlehne geschnitzt und die Löwen, die alles tragen sollten, waren so morsch, dass man sie ersetzen musste. Hoffentlich legen sie dem König ein Kissen auf die Sitzfläche, der Mann ist schließlich kein Jüngling mehr.

 

Das ist doch komisch, dass man zur Krönung eines englischen Königs, (ist falsch, wird aber von jedem Engländer so empfunden), ausgerechnet Dinge benötigt, die einem gar nicht gehören. Es ist ja nicht alleine der Stein, sondern auch der Diamant in der Krone. Bekannt als ‘Koh-i-Noor’ und wohl der größte und teuerste Glitzerstein der Welt, wird schon seit Jahren von Indien zurückverlangt. Die Engländer sagen, es wäre ein Geschenk an Queen Victoria gewesen und so etwas kann man nicht zurückfordern. Die Inder und auch Pakistani sehen das anders. 

Die Krone mit dem wertvollen Stein ruht üblicherweise sicher im Tower of London. Der Krönungsstein wird auf geheim gehaltener Route nach London gebracht. Hoffentlich, denn so wie es gestern begann, kann man vom Schlimmsten ausgehen. Womöglich schicken die Schotten das Ding mit Hermes? Und wenn er dann in der Westminster Abbey ankommt, wird es noch einmal trickreich. Das Ding muss nämlich in den wertvollen, aber ziemlich morschen Thronstuhl, hineingeschoben werden. Gleich unter der Sitzfläche. Dummerweise hatte man aber ursprünglich den Thron um den Stein herumgebaut. Mit anderen Worten, man kann ihn gar nicht entfernen, ohne das historische Möbelstück zu beschädigen. Da werden noch Schweißperlen rinnen.

Eine gute Nachricht kann ich noch nachschieben. Die Verkehrspolizisten haben einen viertägigen Streik angekündigt. Der findet auch am Krönungstag statt. Mit anderen Worten, in ganz Westminster wird es niemanden geben, der Falschparker aufschreibt. George war begeistert: “Parking free-for-all”. 

Und inzwischen wurde auch bekannt, dass der problematischste Augenblick ganz privat stattfindet. Der Moment, wenn dem König die Krone aufs Haupt gedrückt wird, findet hinter einem dichten Teppich statt. Queen Elizabeth II. hatte sich für einen durchsichtigen Baldachin entschieden, King Charles III. geht lieber auf Nummer sicher. Denn falls die schwere Krone ins Rutschen gerät, ist er hilflos. Seine Hände sind blockiert, in einer trägt er den Reichsapfel und in der anderen das Schwert. Die Dinge sind hochsymbolisch und durchaus heilig. Man kann sie nicht einfach auf den Boden werfen. Jedenfalls nicht, wenn 10 Milliarden Menschen zuschauen. Ich kann ihn gut verstehen, ich hätte auch den Sichtschutz gewählt.

 

Das sind die offiziellen Briefmarken zur Krönung. Wie finden Sie sie? Mein erster Gedanke ging an die Zeugen Jehovas. Deren Magazin ‘Wachturm’ zieren oft ähnliche Bilder. Charles hat sich wichtige Themen gewählt: Die Krönung, Vielfalt und Gemeinschaft, den Commonwealth und Nachhaltigkeit und Artenvielfalt. Das ist ja alles ganz schön und gut, nur wenn man partout niemanden ausgrenzen will und deshalb jede nur mögliche Ethnie und Religionszugehörigkeit darstellen muss, dann wirkt es irgendwann verkrampft und kontrolliert. Wo ist die Freiheit geblieben? Und wo der Spaß? Von der Schönheit will ich gar nicht reden.