2. März 1484

Wer über die Millenium Bridge vom Süd- zum Nordufer wechselt, geht direkt auf die St Paul’s Cathedral zu. Deshalb wird kaum ein Tourist auf diesen Abstecher verzichten. Bevor man die Treppen hochgeht, um auf Eingangsniveau der Kirche zu kommen, quert man eine viel befahrene Straße. Wahrscheinlich ist die Ampel gerade rot und man wird einen Augenblick warten müssen, um die Queen Victoria Street zu überqueren. Bei einer solchen Gelegenheit fiel mein Blick auf eines der angrenzenden Gebäude. Es sticht ins Auge, weil die Fassade und das beeindruckende Tor von vielen Wappen geschmückt ist. Für mich Grund genug, es mir genauer anzusehen.

Das Haus beherbergt das ‘College of Arms’. Man könnte also denken, es handelt sich um eine militärische Organisation. Aber in diesem Fall geht es nicht um Waffen (arms), sondern um Wappen. Hier ist das königliche Amt untergebracht, das sich um die Heraldik in England und Wales kümmert. Die dreizehn Mitarbeiter werden vom König persönlich ernannt und sind Mitglieder des königlichen Haushalts. Da wäre ich gerne dabei, selbst ohne Bezahlung. Wappen sind der Ausweis einer Familie oder sogar einer Nation. Wer das Recht hat, ein Wappen zu führen, gilt als legitimes Mitglied des Hauses. Bis zum heutigen Tag legen einige Verwandte des amtierenden Königs größten Wert darauf, dass sie das königliche Wappen auf ihrem Briefkopf oder ihrer Webseite benutzen dürfen. Es ist bares Geld wert.

Das College of Arms wurde am 2. März 1484 vom König gegründet. Schon damals wurde Schindluder mit der Heraldik getrieben, indem so mancher Fantasie-Entwurf genutzt wurde, um Eindruck zu hinterlassen. Deshalb wurde es höchste Zeit, eine zentrale Stelle einzurichten, deren Mitarbeiter anhand alter Urkunden entscheiden kann, wie ein Wappen auszusehen hat und wer es führen darf.

 

Das ‘College of Arms’ in der Victoria Street. Das Haus ist auch für genealogische Forschungsarbeiten zuständig. Vielleicht sollte ich ihnen mal meinen Stammbaum zeigen, wo ich über 34 Ecken mit dem britischen Königshaus verwandt bin. Das reicht nicht, um auf den Balkon eingeladen zu werden, aber immerhin, es ist ein Anfang.

 

2. März 1725 / 1879

Jack the Ripper war im Herbst unterwegs, wenn es früh dunkel wird und der Nebel vom Fluss in die Straßen hochkriecht. Der Vorfrühling scheint aber auch die Mörder zu locken. Am 2. März ereigneten sich zwei Taten, die die Londoner besonders aufschreckte. Eine fand im Jahr 1725 statt. Damals fand ein Nachtwächter einen abgetrennten Kopf am Ufer der Themse. Der Tote konnte identifiziert werden. Er war der Ehemann von Catherine Hayes, geb. Hall. Schon bald galt sie als Tatverdächtige. 

Catherine stammt aus Birmingham, wo sie ihren Ehemann kennengelernt hatte. Die beiden heirateten jung und hatten insgesamt 12 Kinder. Erst etliche Jahre nach der Hochzeit zogen sie nach London. Sie betrieben ein kleines Geschäft und verdienten sich Geld durch die Untervermietung von Zimmern. Catherine beschuldigte im Prozess ihren Ehemann John als gewalttätig und des Mordes an neugeborenen Kindern in der Nachbarschaft, die von den Müttern nicht erwünscht waren.

Die Familie war arm und lebte verwahrlost. Beide Eheleute waren oft betrunken. Ihre heranwachsenden Söhne wurden von ihnen sexuell missbraucht. Als die Tat geschah, hatte man offensichtlich den moralischen Kompass längst verloren. Der Mord wurde von Catherine zusammen mit ihrem Sohn und dessen Freund ausgeführt. Die Tat war schnell vollbracht, die Leiche wurde dann stückweise entsorgt. 

Schnell waren alle drei verdächtig und dann auch geständig. Einer der jungen Männer starb noch im Gefängnis, vermutlich hatte er sich selbst das Leben genommen. Catherine versuchte sich zu vergiften, was fehlschlug. Am 9. Mai fand die Hinrichtung statt. Sie wurde auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Das öffentliche ‘Schauspiel’ fand in Tyburn statt. Es war damals üblich, der Verurteilten die Schmerzen des Feuers zu ersparen, indem man sie kurz nach der Entzündung mit einem Seil erwürgte. Ein letzter Gnadenakt, der aber möglicherweise bei Catherine nicht funktionierte. Sie gilt als letztes Opfer, das lebendig auf einem Scheiterhaufen verbrannte. Die grausame Strafe wurde allerdings noch bis Ende des Jahrhunderts verhängt.

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Die Zeitungen berichteten über den spektakulären Mordfall.

Am selben Tag, aber gut 150 Jahre später, ereignete sich ein Mord in Richmond. Die wohlhabende Julia Martha Thomas wurde von ihrem Dienstmädchen umgebracht. Sie kam auf dieselbe Idee, nämlich die Leiche stückweise im Wasser zu versenken. Zunächst musste sie aber das Fleisch vom Knochen lösen und dazu kochte sie den toten Körper gründlich im Waschkessel durch. Es gab wilde Gerüchte, was sie mit dem ausgekochten Fett gemacht hatte. Man kann nicht ausschließen, dass sie es großzügig unter den Bedürftigen verschenkt hat. Die Knochen wurden dann im Wasser versenkt und wurden nach und nach gefunden. Nur der Schädel blieb verborgen. Den fand man erst im Oktober 2010 auf recht spektakuläre Weise. Es passierte bei Ausschachtungsarbeiten, die der bekannte TV-Autor und Biologe Sir David Attenborough durchführen ließ. Der Fund schlug hohe Wellen in den Nachrichten.

Die Mörderin, Kate Webster, versuchte anfangs in die Rolle ihres Opfers zu schlüpfen. Sie war aber viel jünger als das Opfer, die ermordete Mrs Thomas. Bald bemerkte man den Betrug und sie floh Hals über Kopf nach Irland. Aber sie wurde gefasst und verurteilt. Am 29. Juli 1879 wurde sie im Londoner Wandsworth Gefängnis gehängt.