Fast hätte man den Covent Garden Market in den 70-er Jahren abgerissen. Statt Marktleben wären dann Stille eingekehrt. Die Fläche sollte mit Hotels, Büros und Eigentumswohnungen bebaut werden. Besucht man den Platz, mit dem Gedanken im Kopf, dann sagt man sich: Unvorstellbar! Covent Garden war immer ein Treffpunkt der Londoner und ist es heute mehr denn je. Jahrhundertelang wurde in den Markthallen gehandelt und verkauft. Man bot Obst und Gemüse an, daneben auch Kräuter, Blumen und Pflanzen. Es war ein richtiger Großmarkt, dessen Händler schon mitten in der Nacht damit begannen, ihre Kisten mit der frischen Ware aufzutürmen. Dann kamen nach und nach die Kunden, fast alle waren Einzelhändler und schließlich einige Küchenchefs der umliegenden Hotels. Kurzum, es war ein Kommen und Gehen. Man kaufte ‘en gros’ und dafür brauchte man den eigenen Kleinlaster, der möglichst nahe geparkt wurde. Das führte schließlich dazu, dass der morgendliche Berufsverkehr rund um Covent Garden regelmäßig zum Erliegen kam. Als gar nichts mehr ging, entschloss man sich zu einem radikalen Schritt. Der ganze Markt wurde verlegt. Statt mitten im West End fand der Handel nunmehr am Südufer der Themse, in Nine Elms, statt. Das passierte in den 80er-Jahren. Seitdem ist der Großmarkt dort zu finden und durchaus einen Besuch wert. Man muss allerdings sehr früh aufstehen. Der Handel beginnt um vier Uhr nachts! – Der alte Covent Garden war durch den Umzug der Händler von einem Tag auf den anderen zu einem sehr ruhigen Ort geworden. Ein verlassener Platz, mitten im Herzen der Stadt. Was sollte man damit machen?

Natürlich gab es sofort Investoren, die dort nur zu gerne gebaut hätten. Londoner, die hier schon seit Jahren wohnten oder arbeiteten, plädierten für einen Parkplatz, andere wollten lieber einen grünen Park vor ihrer Tür haben. Niemand hatte ein überzeugendes Konzept, geschweige denn Geld, und so lag Covent Garden Market, für fast zwanzig Jahre brach. Die herrlichen Markthallen rotteten vor sich hin und irgendwie war das Ganze zu einem ziemlich schmuddeligen Ort verkommen. Da half es auch nichts, dass das Royal Opera House direkt angrenzt, wenn auch nur mit der Rückwand. Die Besucher sahen nichts davon, denn sie kamen abends über die Bow Street, wo noch heute der Haupteingang zu finden ist. Man brauchte viel Geduld, aber schließlich wurden die Stadtplaner aktiv und entwickelten einen ganz neuen Nutzungsplan. Dabei hielt man sich eng an der Tradition. Covent Garden Market sollte bleiben, was es immer gewesen war, ein Markt-, Handels- und Treffplatz für jedermann. Das Konzept ging auf, heute ist die Piazza ein Touristenmagnet und täglich bis in den Abend voller Menschen und voller Leben.

 

 

Covent Garden Market besteht aus mehreren Hallen, die drei große Märkte und viele kleine Geschäfte beherbergen. Man hat viel Kunsthandwerk angesiedelt neben netten Restaurants und Shops, die Spezialitäten anbieten. Vom Tee, über Tabak zum Käse und Pralinen. Dazwischen haben Händler ihre Marktstände, die nachmittags wieder leer geräumt werden. Am Wochenende kommen Verkäufer, die sich auf Touristen spezialisiert haben. Dann findet man ganz sicher ein Mitbringsel für zu Hause. Aber auch viele Sammler bieten alte Fotografien, Postkarten und Bücher an. Daneben steht einer mit Vinyl Schallplatten, von denen ich so manches Cover wiedererkenne. Am nächsten Stand werden Gürtel und Portemonnaies angeboten und daneben gibt es schöne Schals zu kaufen. Im Winter auch warme Mützen, was mich schon oft gerettet hat, denn abends weht ein eisiger Wind über die Themse. Man kann sich hier leicht ein paar Stunden aufhalten und falls es regnet, freut man sich über die durchgehende Überdachung. Ich war von der Qualität der angebotenen Ware sehr positiv überrascht.

Abends machen dann die Pubs, die Bars und die Restaurants auf. Das Publikum ist altersmäßig viel gemischter als im West End (Leicester Square), wo die Jugend sich bis spät in die Nacht amüsiert. Hier sitzen Touristen wie ich, die etwas müde vom anstrengenden Tag noch ein Glas Bier oder Cidre trinken und gleich neben mir sitzt ein Ehepaar in Abendgarderobe, weil sie nachher noch die Oper besuchen werden. Das Beste aber ist die kostenfreie Unterhaltung, die die Straßenmusiker zu bieten haben. Covent Garden ist der einzige Ort in London, wo ‘Busker’  ihre Musik spielen dürfen. Hier fingen nicht wenige Leute ihre Karriere an, die später Weltstars wurden. Und deshalb wunderte es mich nicht, welche Qualität die Künstler bieten. Da schmettert jemand Arien auf höchsten Niveau, ein anderer spielt Songs von Cat Stevens und ich schaue zweimal hin, weil er vom Original nicht zu unterscheiden ist. Es macht wirklich Spaß hier den Abend ausklingen zu lassen und ich versäume die Gelegenheit nie, wenn ich im nahegelegenen Strand Palace Hotel mein Zimmer habe.

Covent Garden ist übrigens auch der Name des Stadtteils (district), der Teil des Bezirks (borough) Westminster ist. Der Stadtteil beginnt gleich westlich von St Paul’s und endet am Trafalgar Square. Kinogänger kennen den Covent Garden Market aus vielen Filmen. Alfred Hitchcock, der gebürtige Engländer (!), drehte hier den Thriller ‘Frency’ und soll dabei die Markt-Atmosphäre während der 60-er Jahre perfekt eingefangen haben. Schon früher wurde das Stück ‘Pygmalion’ von Bernhard Shaw hier verfilmt. Wir kennen es besser als Musical ‘My Fair Lady’. In dem Stück besucht Prof. Higgins die Royal Opera und trifft auf das Blumenmädchen Eliza Doolittle, die ihre Ware auf dem Covent Garden Market anbietet. Übrigens ein Stück mit einem wahren Hintergrund, der erschreckend traurige soziale Verhältnisse aufzeigt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wer in London ist, sollte auf jeden Fall einen Besuch in Covent Garden Market einplanen. Regelmäßig ist der Markt Schauplatz für besondere Aktionen. Da kommt dann schon mal Paddington Bear vorbei oder ein paar Morris Dancer zeigen ihre mitreißenden Tänze. Im Dezember wird es festlich. Dann wird Covent Garden zu einem Weihnachtsmarkt, inklusive lebenden Rentieren und einer Mini-Eislaufbahn. Tausende von Lichtern glänzen dann an der Fassade und ein großer Weihnachtsbaum steht auf der Piazza vor dem London Transport Museum. Aber Vorsicht beim Betreten der alten Markthallen, denn unter dort sind unter der Decke unzählige Mistelzweige angebracht. Und was das bedeutet, wissen Sie hoffentlich. Viel Spaß in Covent Garden.

 

Alle Jahre wieder