Ein interessanter Name: ‘Vogelkäfig Gang’. Welche Geschichte verbirgt sich dahinter? Dass es eine gibt, ist ganz sicher. Londons Straßennamen sind stets voller Bedeutung, man muss allerdings manchmal tief graben bzw. weit in die Vergangenheit zurückblicken. Ihre Namen erzählen von früheren Zeiten, von Menschen oder ihren Tätigkeiten, denen sie nachgingen. Oder sie erinnern an Nutzungen, die inzwischen längst aufgegeben wurden. Könnte das auch hier, mitten in Westminster, zutreffen?

Der Birdcage Walk führt in ganzer Länge am St James’s Park entlang. Wenn man ihm folgt, kommt man schnurstracks zum Buckingham Palace. Er verläuft parallel zur großen Prachtstraße, genannt Mall, die stets deutlich frequentierter ist. Am Birdcage Walk stehen nur ein paar Häuser, die eigentlich zur Old Queen’s Street gehören. Wir schauen ihnen nämlich in den Garten bzw. auf die Rückfront. Die Nähe zum Palast macht die ganze Gegend besonders. Wer hier wohnt, residiert exquisit. Und das führt uns dann auch schnell auf die richtige Spur, nämlich zu King James I. Er hielt sich hier seine Royal Menagerie and Aviary. In großen Volieren waren die prachtvollen Vögel untergebracht. Darunter sicherlich Falken und Pfaue, vielleicht auch Pelikane und Eisfischer. Sie alle dienten der höfischen Gesellschaft zum Zeitvertreib. Man schlenderte an den Käfigen entlang und freute sich, wenn man ein besonderes Tier entdeckte. Wir machen es heute nicht anders, wenn wir den Zoo besuchen.

Natürlich gab es fachkundiges Personal, das sich um das Wohl der Tiere zu kümmern hatte. Einer der Pfleger ragte heraus und sein Name ist bis heute überliefert: Edward Storey. Er wohnte an der Süd-Ostseite des Parks, so weit wie möglich vom Palast entfernt, aber in unmittelbarer Nähe zu den Vögeln. Sein Haus ist längst verfallen, aber die Straße trägt noch immer seinen Namen: Storey’s Gate. Oft findet sich das Wort ‘Gate’ in Straßennamen, die unmittelbar an einem der Parks entlang laufen. Sie verraten uns noch heute, wo früher die Tore standen, die üblicherweise geschlossen waren. Denn die Parks selbst waren ausschließlich für den König und seine Gäste reserviert. Die Öffentlichkeit hatte dort nichts zu suchen. Sogar der Birdcage Walk war bis 1828 eine private Straße. Er durfte ausschließlich von der königlichen Familie benutzt werden. Egal, ob zu Fuß, im Sattel oder in der Kutsche. Es gab nur eine Ausnahme und die wurde dem Duke of St Albans gewährt. Merkwürdig, denn der erste Titelträger war kein Vertreter einer aristokratischen Familie, sondern einer der vielen außerehelichen Söhne von King Charles II.  (Ja, das war der mit Nell Gwynn, siehe => Crown Passage). Die männlichen Nachfahren aus der Verbindung wurden wenig schmeichelhaft als ‘Bastardlinie’ bezeichnet. Weshalb wurde ihnen also das Sonderrecht am Birdcage Walk gewährt? Man muss ein paar Generationen weiter blättern, dann wird man fündig. Nachfahren des ersten Dukes of St Alban dienten oft als ‘Grand Falconer of England’ und waren in dieser Funktion für die Vögel in der königlichen Menagerie zuständig. – Übrigens waren die unehelichen Kinder eines Königs gesellschaftlich durchaus begehrte Ehepartner, schließlich floss blaues oder wenigstens hellblaues Blut in ihren Adern. Außerdem waren sie gut erzogen und hatten fast immer eine teure Privatschule besucht. Nur ein Rang innerhalb der Thronfolge wurde ihnen kategorisch verweigert.

King Georg IV. hatte dann endlich den Birdcage Walk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seine rund zehnjährige Regentschaft war vor allem von seinem ausschweifenden Lebensstil geprägt. Immerhin hat man ihm ein Reiter Standbild auf dem Trafalgar Square gegönnt, dessen Tage vermutlich gezählt sind. Der Platz könnte für ein Abbild von Queen Elizabeth II. benötigt werden. Dem unbeliebten Georg IV. wird keiner nachweinen, denn kaum jemand kann mit seinem Namen etwas Gutes oder Brauchbares verbinden.

Die Londoner hatten sich damals bestimmt gefreut, dass sie nun auch den St James’s Park betreten und vor allem nutzen durften. Der Birdcage Walk machte dann noch einmal im 20. Jahrhundert Schlagzeilen. Er war nämlich ein beliebter und bekannter Treffpunkte für Homosexuelle, als deren Orientierung noch als strafbar galt. Zum Glück ist das alles Vergangenheit.

Wenn das täglich Touristenspektakel, der Wachwechsel der Soldaten, ansteht, dann ist der Birdcage Walk möglicherweise der bessere Standort, um ein paar eindrucksvolle Fotos zu machen. Von hier hat man reelle Chancen, die Horse Guards aus unmittelbarer Nähe zu sehen. Ihre Kaserne (Wellington Barracks) liegt am Birdcage Walk. Auf dem Gelände gibt es ein interessantes Museum. Der Besuch hat mir stets großen Spaß gemacht, denn das Haus ist nicht überlaufen und man kommt schnell mit einem der Veteranen, die hier Dienst machen, ins Gespräch. Bei einer solchen Gelegenheit habe ich dann auch von den Konzerten erfahren, die gelegentlich in der Kapelle, auf dem Gelände, angeboten werden. Die Männer und Frauen, die hier dienen, müssen nicht nur gute Reiter sein, sondern auch wenigstens ein Instrument perfekt beherrschen. Ihr Wachwechsel ist stets von Musik begleitet und das macht die Sache so attraktiv. In der weitläufigen Kaserne üben die jungen Musiker und ihr musikalisches Niveau ist erstaunlich. Man kann es in den Konzerten erleben und genießen.

 

 

FÜR MEINEN NÄCHSTEN BESUCH:

Unbedingt im Internet nachsehen, ob die Household Division ein Konzert anbietet. Auf ihrer Webseite erfährt man auch von weiteren Veranstaltungen, überall in London (eigentlich weltweit). Ihr Repertoire reicht von der Marschmusik bis zum Rock and Roll. Legendär sind die Big Band Swing-Abende.

Und dann einen Besuch im Museum einplanen. Es gibt sogar zwei Museen, die keine fünf Minuten Fußweg voneinander entfernt liegen. Einmal das kleine Museum an der Whitehall (Eingang von der Rückseite, Horseguards Parade) und dann hier bei den Welllington Barracks am Birdcage Walk. Auch gut geeignet, falls man von einem Regenschauer überrascht wird. Zum Glück sind die selten langlebig; der Wind treibt die Wolken einfach weiter. Wenn mir aber der Doorman im Hotel am frühen Morgen erzählt, dass wir ‘patchy weather’ haben, dann regnet es in Wahrheit Bindfäden und das bis spät in den Abend hinein. Natürlich ist der Mann viel zu nett und höflich, um mir so etwas schon am frühen Morgen verbal ungeschminkt mitzuteilen. Widrigkeiten umschifft der Engländer grundsätzlich mit sanfter (oder auch brutaler) Untertreibung.