15. Januar 1559

Vor fast einem halben Jahrtausend fand an diesem Tag eine große Krönungsfeier in der Westminster Abbey statt. Die noch junge Tochter von Heinrich VIII. und seiner zweiten Ehefrau Anne Boleyn soll Königin von England werden. Sie wird als Queen Elizabeth I. glanzvoll in die Geschichte eingehen, auch wenn ihr das ganz und gar nicht in die Wiege gelegt worden war.

Wenn ein König stirbt, erwartet man vom Nachfolger zwei Dinge: Er muss männlichen Geschlechts sein und älter als seine Geschwister. Bei Elizabeth traf beides nicht zu. Als ihr Vater, Heinrich VIII. 1547 starb, war Elisabeth ein Teenager von 13 Jahren. Sie hatte zwar keine älteren Brüder und über das ‘falsche’ Geschlecht hätte man reden können, aber ihre Chancen waren trotzdem gleich null. Ihr Vater hatte nämlich nach der Hinrichtung seiner Ehefrau die Tochter als illegitim erklärt. Sie und ihre ältere Halbschwester Maria (nicht mit Maria Stuart verwechseln) waren vom Vater ausdrücklich von der Thronfolge ausgeschlossen worden. Der hoffte nämlich noch immer auf die Geburt eines Sohnes.

Der Wunsch sollte sich erfüllen, wenn auch spät. Als Heinrich starb, war sein Sohn Edward gerade erst neun Jahre alt. Er wurde zwar zum König ernannt, aber die Entscheidungen wurden von anderen getroffen. Jahre des Streits brachen aus, zwischen der Königsmutter und königlichen Beratern aus dem politischen Lager. Als Edward dann auch noch sehr jung starb, sahen die katholischen Schotten ihre Chance gekommen, um die Macht zu ergreifen. Wir kennen das Drama zwischen Maria Stuart (katholisch) und Elizabeth Tudor (anglikanisch). Die stärkere Frau war Elizabeth und damit hatte sie alle Hürden überwunden. Sie wurde Königin von England.

Bis zu ihrem Tod im Alter von 70 Jahren wird sie äußerst geschickt und erfolgreich regieren. Man wird ihre Epoche zum ‘Elisabethanischen Zeitalter’ erklären und meint damit den unglaublichen Aufstieg Englands von einer kleinen Insel zu einer Weltmacht ohne Gleichen. Der märchenhafte Wandel war in wenigen Jahrzehnte vollzogen, hielt dann aber Jahrhunderte lang an. In manchen Köpfen bis heute, denn wenn die konservativen Politiker, die den Brexit mit allen Mitteln durchgesetzt haben, davon träumen, dass sie alten Glanz und Stärke zurückbekommen werden, dann denken sie tatsächlich an diese längst vergangene Epoche zurück.

Queen Elizabeth I. überwindet den Streit mit der katholischen Kirche, drängt diese vollständig zurück und etabliert stattdessen die Anglikanische Kirche in ihrer noch heute gültigen Ausprägung. Die Kunst erlebt Männer wie William Shakespeare oder Christopher Marlow. Francis Bacon begründet die modernen Wissenschaften und Francis Drake umsegelt erfolgreich die Erdkugel. Die erste Kolonie in Nordamerika wird gegründet. Die Welt ist nach ihrem Tod eine komplett andere geworden, als die, die sie 1559 als junge Königin übernommen hatte.

Es scheint, dass die Engländer ein glückliches Händchen mit ihren Königinnen hatten. Fragt man nach bedeutenden Regenten, dann fallen immer als Erstes die Namen Elizabeth und dann Victoria. Und mit Elizabeth sind inzwischen schon zwei Königinnen gemeint, die trotzdem sofort am Namen erkennbar sind. Die eine wird ‘Queen Elizabeth I.‘ genannt und die andere einfach nur ‘The Queen‘.

 

[/media-credit] Obwohl Elizabeth I. eine bedeutende Königin war, findet man keine Denkmäler von ihr in London. Mir ist nur ein einziges bekannt, dass zwar an der viel befahren Fleet Street aufgestellt wurde, aber ziemlich versteckt in einer Nische steht. An dieser Stelle war früher eines der Stadttore (Ludgate) und die Königin steht zwischen der Kirche St Dunstan-in-the-West und dem alten Redaktionshaus des Daily Telegraph. Aber immerhin ist ihr Sarg an prominenter Stelle zu sehen. Natürlich in der Westminster Abbey, Seite an Seite mit ihrer Schwester Maria. Und ein paar Schritte weiter ruht die Widersacherin Maria Stuart. Man kann es sich nicht aussuchen, besonders wenn man schon tot ist.