9. Januar 1806

London ist im Winter 1805/06 im Ausnahmezustand. In der St Paul’s Cathedral findet am 9. Januar eine Beerdigung statt und alle wollen dabei sein. Schon am frühen Morgen sammeln sich die Menschen an den Straßenrändern, einige Stunden später wird hier der Trauerzug vorbeiziehen. Im Sarg wird ihr Nationalheld liegen, Admiral Horatio Nelson.

Nelson starb im Kampf an Bord seines Schiffes HMS Victory. Seine Männer kämpften gegen die vereinten Franzosen und Spanier. Die Schiffe trafen vor der Küste Spaniens aufeinander, wo die Schlacht von Trafalgar dann stattfand. Jedes englische Schulkind kann das Datum nennen: 21. Oktober 1805. Während des Kampfes traf eine Gewehrkugel den Admiral, der daraufhin schwer verletzt zusammensackte. Man brachte ihn unter Deck, konnte aber nichts mehr für ihn tun. Drei Stunden später war er tot. Mit letzter Kraft stammelte er die Worte: “Thank God, I have done my duty.” Falls die Überlieferung stimmt, was durchaus glaubhaft ist, dann ist der Mann immerhin im Bewusstsein des Sieges verschieden.

Es war klar, dass sein Leichnam zurück nach England musste und zwecks Konservierung packte man ihn erst einmal in ein Fass, gefüllt mit Brandy, Campher und Myrre. Eine Woche später erreichte man die englische Insel und bettete den toten Nelson erst einmal in einen wasserdichten Sarg, der ebenfalls mit Alkohol gefüllt wurde. Erst im Dezember, zwei Tage vor Weihnachten, kam man am Ziel an, das Greenwich Hospital an der Themse. Dort bereitete man den toten Körper auf die öffentliche Aufbahrung vor. Die begann am 5. Januar 1806, im Old Royal Naval College (Greenwich), und dauerte drei Tage an. Ganz London pilgerte dorthin, viele Trauernde mussten umkehren, ohne einen Blick auf den Admiral geworfen zu haben, es war einfach restlos überlaufen.

Der Trauerzug zur letzten Ruhestätte in der St Paul’s Cathedral startete passend mit einer Schiffsfahrt. Gleich vier Trauer-Barken legten in Greenwich ab und brachten den im Sarg ruhenden Toten über die Themse nach Zentral-London. Es war ein Donnerstag und alle hatten sich den Tag freigenommen. Die Männer in den Barken ruderten bis zur Anlegestelle in Westminster, wo der Sarg vermutlich über die Whitehall in die nahegelegene Admiralty (heute Paradeplatz an der Horse Guard) gebracht wurde. Von dort startete der Trauerzug zu Fuß in Richtung City of London. Alleine 32 Admirale nahmen daran teil, unzählige Kapitäne, Offiziere und Soldaten. Man hatte den Wagen, auf dem der Sarg stand, in ein Schiff umdekoriert. Ein Bug deutete die Umrisse der ‘Victory’ an. 

Der Gottesdienst in der Kirche nahm fast vier Stunden in Anspruch. Jeder wollte noch einen letzten Gruß aussprechen und musikalisch durfte der Deutsche Händel seine musikalischen Werke beisteuern. Schließlich war die Feier beendet und der Sarg mit dem toten Nelson wurde durch ein Loch in die Krypta unter der Kirche hinabgelassen. Dort kann man ihn noch heute besuchen und es ist schon erstaunlich, welche Verehrung dem Mann noch heute zuteilwird. Besucht man das Marinemuseum in Greenwich, dann bekommt man sogar eine Vorstellung, wie er ausgesehen haben mag. Dort ist nämlich seine Uniform zu sehen. Mit Einschussloch und Blutspur. Alles original erhalten und gut ausgeleuchtet. Für mich war aber die Größe überraschend. Denn wenn das die Uniform war, die der Admiral bei der Schlacht vor Trafalgar trug, dann war er überraschend klein und schmächtig. Aber das hinderte ihn nicht daran, einer der größten Seehelden zu werden. Und sein Erfolg basierte wohl eher auf Ausstrahlung und Überzeugungskraft und die hat mit körperlicher Größe nun mal unmittelbar nichts gemein.