6. Januar 1928

Ein Sturm zog auf und trieb eine Flutwelle in die Themse. Sie war höher als alles, was zuvor bekannt war. Als der Wind sich beruhigte und die Ebbe einsetzte, wurde der Schaden sichtbar. Er war enorm. Teile des Chelsea Embankments waren eingestürzt und Zentral-London stand unter Wasser.

Angefangen hatte das Ganze schon vor Weihnachten. Heftige Schneefälle und ungewöhnliche Kälte hatten den Oberlauf der Themse einfrieren lassen. Anfang Januar wurde es milder und Starkregen setzte ein, der das Eis zum Tauen brachte. Es baute sich eine Wasserwelle auf, die von der Themse-Quelle flussabwärts strömte und für Pegelhochstände sorgte. In der Sturmnacht drückte dann eine Flutwelle gegen das Schmelzwasser. Die Wirkung war enorm, besonders in London, wo sich die beiden Wellen trafen.

Und es gab noch einen weiteren Umstand, der die Lage verschlimmerte. Man hatte nämlich in den Monaten zuvor die Fahrrinne der Themse um gut zwei Meter ausgebaggert, damit auch größere Schiffe London erreichen konnten. Das bewirkte aber auch, dass bei Flut mehr Wasser in die Themse einfloss und potenzierte dadurch die möglichen Pegel-Höchststände.

Am 7. Januar, am frühen Morgen um 1:30Uhr, wurde der höchste, jemals gemessene Pegelstand an der Themse registriert. Die mächtigen Ufermauern (Embankments) waren von der City of London bis nach Putney und Hammersmith überflutet. Und zwar an beiden Uferseiten. Aber auch aus Greenwich wurden schwere Überschwemmungen gemeldet.

Das Aufräumen dauerte Jahre. Einige Gebiete waren so zerstört, dass man zunächst die Ruinen abreißen musste und dann ganze Wohnviertel neu bebaute. Das betraf besonders die Gegend an der Lambeth Bridge, die es selbst auch nicht geschafft hatte und komplett neu aufgebaut werden musste.

Zum Glück war die 1928-er Flut, die letzte, die London so schwer traf. Fast hätte es sich 1953 wiederholt, aber ein Heer von Schutzengeln hatte wohl ein Einsehen. Das Wasser blieb nämlich wenige Zentimeter unter den Londoner Ufermauern stehen, um dann langsam wieder zu sinken. Danach wurde das Themse Sperrwerk gebaut, das heute die Stadt vor Sturmfluten sicher schützen kann.

Der Guardian hatte das Geschehen des 6. Januar am nächsten Morgen in einem Artikel zusammengefasst, daraus zitiere ich nachfolgenden Absatz:

Remarkable scenes were witnessed all along the Embankment. At the Houses of Parliament the water “cataracted” over the parapet into the open space at the foot of Big Ben. The floods penetrated into Old Palace Yard, which shortly after one o’clock was about a foot under water in parts.

Flooding was worst at Charing Cross and Waterloo bridges, where the river sweeps round. Water poured over the Embankment, and the road was covered in a depth of several inches.

At intervals along the Embankment stood tramcars derelict and deserted. Later attempts were made to tow them through the floods by means of motor-lorries. Taxicabs and motor-cars splashed along the far side of the road. The public subway, Westminster Bridge, was flooded to a depth of four feet. There were miniature waterfalls at Cleopatra’s Needle and the Royal Air Force Memorial, and the training ship President floated at street level.

 

[/media-credit] Die Ufermauer, genannt ‘Embankment’, zieht sich nahtlos an der Themse entlang. Kaum vorstellbar, dass das Wasser über die Mauer schwappen kann. Genau das passierte damals. Mein Foto entstand bei Flut, das Wasser steht normal hoch.

 

 

6. Januar 1938

Im März 1938 dringt die Gestapo in eine Wiener Wohnung ein. Sie wollen den Arzt und Psychologen Sigmund Freud zum Verhör abholen. Er wurde gewarnt, seine Tochter fleht um Nachsehen, verweist darauf, dass der Vater alt und gebrechlich sei. Schließlich bietet sie sich selbst an und wird auch tatsächlich mitgenommen. Abends kommt sie wieder frei, nachdem der amerikanische Botschaftssekretär interveniert.

Für Sigmund Freud und seine Familie wird es höchste Zeit zur Flucht. Sie wollen aber in geordneten Verhältnissen die Emigration antreten und können im Juni über Paris ins englische Exil gelangen. Seine vier Schwestern wird die Ausreise verweigert, sie werden alle zu Opfern des Holocaust.

In London werden Freud und seine Tochter Anna mit offenen Armen empfangen. Er kauft sich eine Villa in Hampstead, wo er wohnen und auch praktizieren will. Seine Gesundheit ist aber schlecht, eine frühere Krebserkrankung bricht immer wieder auf. Schon im September 1939 verstirbt er in London. Das Haus existiert noch heute und beherbergt das ‘London Freud Museum’. Natürlich ist dort auch die berühmte Couch zu sehen, wo die Patienten liegend erzählten, während er neben oder hinter ihnen saß, also jeden Augenkontakt vermied. Besuch lohnt sich, alleine schon, weil Hampstead ein nettes Viertel ist.