22. November 1902

Barnet ist ein großer Londoner Stadtteil. Er liegt im Norden und ist in etliche Bezirke unterteilt, darunter Golders Green und Finchley. Die Namen werden dem typischen Londoner Touristen nichts sagen, höchstens wenn er/sie sehr aufmerksam ist und auf die Busse achtet, die durch das Zentrum fahren. Eine der Endhaltestellen ist ‘Golders Green’ und deshalb sieht man es bei Bussen der Linie 83 auf der Front-Anzeige.

Ich habe Freunde in East Finchley und deshalb kenne ich die Gegend recht gut. In Westminster sind eigentlich nur Besucher aus aller Welt zu sehen, aber in den Vororten, wie Finchley, trifft man auf echte Londoner. Man lebt dort in den typischen Reihenhäusern (terraced houses) und macht den täglichen Einkauf in der High Street. Am Wochenende spaziert man in die Natur, entweder in die nahe gelegene Hampstead Heath oder in einen der vielen Parks. Darunter einige Friedhöfe, die unbedingt sehenswert sind (z.B. Highgate Cemetery). Ein anderer Friedhof ist in Golders Green und dort ist auch ein Krematorium, dass überregionale Bedeutung hat. Ich kenne es vom Sehen, wusste aber nicht, dass es eines der ältesten in ganz Großbritannien ist. Die Eröffnung fand 1902 statt. In Hamburg hatte man schon 1891 eine Krematorium auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Betrieb genommen. Vorher wurden Tote wohl ausschließlich im Sarg bestattet.

Ich will gar nicht weiter auf das Londoner Krematorium eingehen, denn Sie werden vermutlich nie nach Golders Green kommen. Aber auf dem angeschlossenen Friedhof gibt es zahlreiche Gräber und auch Urnen mit bekannten Namen. Ich stolperte einmal ganz zufällig über die Grabstelle von Karl Marx (Highgate Cemetery). Der Löwe auf dem Grab interessierte mich. Als ich den Namen des Verstorbenen las, wunderte ich mich, dass in London jemand denselben Namen wie der bekannte Kommunist trug. Erst später erzählte man mir, dass Marx Zuflucht in London gesucht hatte und dort gut zehn Jahre, bis zu seinem Tod, lebte. Ich muss gestehen, dass ich nie davon gehört hatte. Hätten Sie es gewusst?

 

 

In Golders Green kann man ähnlich überrascht werden. Dort wurde zum Beispiel Sigmund Freud und seine Tochter Anna, er war Begründer der Psychoanalyse, eingeäschert. Auch Freud hatte London als Exil gewählt. Marc Bolan wurde in Golders Green bestattet. Er war Komponist und Sänger der Band ‘T.Rex’. Sein Kollege Jack Bruce, Gründer der Gruppe ‘Cream’, ist ebenfalls dort bestattet. Die britische Schriftstellerin Doris Lessing finden wir neben Baron Marks of Broughton. Der unter diesem Namen kaum bekannt ist, aber als Gründer von Marks & Spencer jedem Briten geläufig ist. Der körperlich kleine, aber ungemein energetische Schlagzeuger der ‘Who’, Keith Moon, wurde hier bestattet. Weiter geht es mit Peter Sellers (Schauspieler), Bram Stroker (Autor von ‘Dracula’), Ronnie Scott (Jazzmusiker mit legendärem Club ‘Ronnie’s’ in Soho), Ronnie Biggs (Posträuber), Neville Chamberlaine (Premierminister) und, und, und …

Mein Freund George wirft noch schnell den Namen ‘Bernard Spilsbury’ in die Aufzählung, aber den kennt nun wirklich keiner. Außer ihm. Dr. Spilsbury war Pathologe und Rechtsmediziner und hat berühmte Fälle geklärt. Darunter der ‘Schrankkoffermord in Brighton‘, der Fall Dr. Crippen, die Operation Mincemeat und den Badewannen-Mord. Aber das muss jetzt wirklich warten, obwohl die Geschichten spannend sind. Vielleicht sollte ich mal einen ‘Best of Murders’ Blog schreiben?