14. Februar 1895

Oscar Wilde war einer der bekanntesten Schriftsteller seiner Zeit. Ein begnadetes Genie und ein arroganter Egomane. Mozart, Wilde, Jackson, waren vielleicht nicht aus demselben Holz geschnitzt, aber vermutlich aus einem sehr speziellen. Alle waren durchgeknallte Superstars, Influencer, lange bevor diese Bezeichnung entdeckt wurde. Alle lebten intensiv, brannten an beiden Enden gleichzeitig, als gäbe es kein Morgen und das bewahrheitete sich dann auch in ihrer relativ kurzen Lebensspanne. 

Oscar Wilde kam in Irland zur Welt. Sein Vater war ein sehr angesehener Augen- und Ohrenarzt und seine Mutter betätigte sich als Übersetzerin und revolutionäre Lyrikerin. Die Eltern konnten es sich finanziell leisten, regelmäßig Künstler und Schriftsteller in ihren ‘Salon’ einzuladen. So kam Oscar schon als Kind mit einige außergewöhnlich exzentrischen Persönlichkeiten in Kontakt.

In London führte er ein Doppelleben. Das eine im bürgerlich gehobenen Stadtteil Chelsea, wo er ein Haus besaß, das von seiner Frau und den beiden jungen Söhnen bewohnt wurde. Oscar verbrachte die Nächte nicht selten im West End, wo er fast täglich abends im Theater saß und anschließend zum Diner im 5-Sterne Hotel einlud. Meistens wurde es spät, weit nach Mitternacht, und Oscar sparte sich die lange Heimfahrt mit der Pferdekutsche. Stattdessen übernachtete er gleich im Hotel. In seinem Lieblingshaus, das Langham’s Hotel, war über Jahre ein Koffer mit frischer Wäsche deponiert worden, sodass er sich immer korrekt kleiden konnte. Das war ihm wichtig, das äußere Erscheinungsbild, das er bis ins Detail abstimmte. 

[/media-credit] Wilde in seinen besten Jahren

Dieser andere Oscar Wilde, der ein Lebemann war, der ohne Champagner und Kokain nicht frühstücken konnte, existierte nahtlos neben dem angesehenen, im Beruf erfolgreichen Literaten. Die Londoner Gesellschaft war von seinem Benehmen sowohl fasziniert als auch abgestoßen. Er widersprach allen bürgerlichen Regeln, war aber gleichzeitig ungemein unterhaltsam. Ein begnadeter Entertainer, auf den keine Abendgesellschaft verzichten konnte oder wollte.

Oscar Wilde wurde Homosexualität nachgesagt, die streng verboten war. Jedem drohte Gefängnis, der sich erwischen ließ. Er lebte seine Leidenschaften aber relativ offen aus, was bereits in der Wahl seiner Kleidung zum Ausdruck kam. Niemand schien sich daran zu stören, man betrachtete es als seine private Angelegenheit. Bis dann eines Tages Lord Alfred Douglas auftauchte. Der junge Mann fühlte sich sofort von Oscar angezogen und die Gefühle wurden erwidert. Schon bald wusste ganz London Bescheid, aber es kümmerte niemanden. Bis auf eine Person, nämlich den Vater des jungen Lords. Er hatte nur diesen Sohn, den einzigen Erben, und der sollte natürlich heiraten, Kinder zeugen, möglichst Söhne, und das Erbe (Vermögen, Landbesitz und der Namen) ruhmreich und ehrenhaft in die Zukunft tragen. Diesen Wunsch, diese verständlichen Träume, hatte Oscar Wilde zunichtegemacht und dafür sollte er büßen.

Am Abend des 14. Februar 1895 war Wilde auf dem Höhepunkt seiner Popularität angekommen. Er war der gefeierte Mann in Londons Gesellschaft. Wie so oft erschien er elegant gekleidet in seinem Albemarle Club, um sich dort auf den Abend einzustimmen. Ebenfalls anwesend war der Marquess of Queensberry, leiblicher Vater von Lord Alfred Douglas. Der hatte kurz vor Oscars Eintreffen den Club schon wieder verlassen und dabei seine Karte, gut sichtbar auf dem Tresen, für Oscar hinterlassen. Darauf stand: “For Oscar Wilde, posing somdomite”. Ein Frontalangriff auf den Club-Kollegen.

Oscar Wilde wehrte sich gegen diese ihn schädigende Behauptung, indem er den Marquess vor Gericht zerrte. Zunächst schien seine Klage erfolgreich, aber dann tauchten immer mehr Zeugen und Beweise gegen ihn auf und letztlich wurde er wegen Unzucht verurteilt. Das Strafmaß war hart, zwei Jahre verschärfte Zwangsarbeit in einem der schlimmsten Strafanstalten Londons. Für Wilde, der das Leben eines verwöhnten Dandys gewohnt war, war es die Hölle. Körperlich war er den Anstrengungen nicht gewachsen und die hygienischen Umstände müssen ihn in die Verzweiflung getrieben haben. Dazu der plötzliche Entzug aller Drogen, an die er so sehr gewöhnt war.

Wilde überlebte die Zeit in Wandsworth, das Gefängnis, das auch Boris Becker kennengelernt hat, aber er kehrte als kranker, gebrochener Mann zurück in die Freiheit. Seine Ehe war längst geschieden, Frau und Kinder hatten sich in die Schweiz geflüchtet. Seine so sorgfältig kreierte gesellschaftliche Kunstfigur war restlos ruiniert. Er selbst floh Hals über Kopf nach Paris, war nahezu mittellos und verkroch sich in ein armseliges Zimmer in einem billigen Hotel. Bald darauf starb er im Alter von 46 Jahren.

Vergessen wurde er bis heute nicht. Regelmäßig werden seine Theaterstücke gezeigt, seine Bücher verkaufen sich noch immer gut. Ein Denkmal im Strand erinnert an ihn. Es steht keine hundert Meter vom Trafalgar Square entfern, ist lebensgroß und wird doch von den meisten Menschen gar nicht gesehen. Achten Sie mal darauf, wenn Sie dort das nächste Mal entlanglaufen.