12. Dezember 1683

Die Themse friert zu. Das passierte damals regelmäßig und längst hatte man einen ‘River Thames frost fair’ ins Leben gerufen. Ein Winterjahrmarkt, der im Jahr 1683 mit einer neuen Attraktion locken konnte. Es nahm nämlich erstmals auch ein Zirkus teil und präsentierte den staunenden Zuschauern Artisten und sogar dressierte Tiere mitten auf der Eisfläche.

War es damals kälter? Nun, zumindest waren die Temperaturen im Winter oftmals unter dem Gefrierpunkt, sonst wäre die Themse nicht zugefroren. Und die auf dem Eis aufgebauten Buden blieben oftmals über Wochen, manchmal sogar Monate stehen. So war es auch im Winter 1683/84.

Heute passiert das nicht mehr, denn es gibt einen wesentlichen Unterschied. Damals stand noch die alte London Bridge mit ihren unzähligen (17 Durchfahrten?) kleinen Bögen. Dadurch war der Themse der Durchfluss unter der Brücke fast versperrt. Wenn sich dann noch Eisschollen davor auftürmten, war westlich von der Brücke de facto keine Tide mehr wirksam. Ebbe und Flut, die heute alle sechs Stunden den Wasserstand um bis zu 9 Meter senken bzw. heben, verhindern zuverlässig die Bildung einer geschlossenen Eisdecke. Aber das sollte man den Londonern lieber nicht erzählen, denn dann würden sie wahrscheinlich, die London Bridge kurzfristig erneut blockieren. Jedenfalls im Winter.

Nichts begeistert die Engländer mehr, als eine Eisfläche. Sie lieben das Schlittschuhlaufen und haben dafür etliche künstlich angelegte Flächen im Winter zur Verfügung. Selbst Wochentags kommen sie abends gerne für ein paar Runden vorbei. Der Grund dafür? Ich weiß es nicht, habe aber eine Vermutung. Der Engländer findet nichts schöner, als seine Freunde zum Lachen zu bringen. Möglichst auf seine Image-Kosten. Und wo geht das einfacher als auf einer Eisfläche? Mit einer wahren Wonne fahren sie auf wackeligen Beinen los, um dann in einem grandiosen Salto platt auf dem Bauch zu landen. Mögliche blaue Flecken werden in Kauf genommen, denn dafür ist der provozierte Spaß zu groß. Und alleine darauf kommt es an.

 

[/media-credit] Abends trifft man sich zum Skaten, hier im Innenhof des Somerset Houses. Nichts macht dem London mehr Spaß, als das Eislaufen.

 

 

12. Dezember 1927

1.600 Londoner landeten an diesem einzigen Tag im Krankenhaus, weil sich Eis auf den Straßen gebildet hatte und sie unglücklich hingefallen waren. Zum Weiterlesen empfehle ich den Eintrag vom 12.12.1683 …

Eine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen: Ich erlebte einmal einen Hauch von Schnee, als ich im Dezember in London war. Ein paar dicke, schon sehr nasse Flocken trudelten vom Himmel herab. Eine dünne Schneedecke hatte sich auf Straßen und Gehwegen gebildet, dazwischen bereits große Pfützen und freie Stellen. Trotzdem war es unglaublich glatt und die auffallend wenigen Leute, die unterwegs waren, kamen nur mit größter Mühe voran. Das Erste, was mir auffiel, war, dass niemand, wirklich niemand, irgendetwas unternommen hatte, um den Schnee zu beseitigen. Weder Stadtreinigung noch Anwohner kamen auf die Idee dafür zuständig zu sein. Meine zweite Beobachtung galt dem Schuhwerk. Man trug elegante Halbschuhe oder Pumps, mit glatter Ledersohle. Stiefel besitzt kein Londoner. Meisten auch keine Mützen oder Schals. Jedenfalls nicht die Sorte, die zweckmäßig wärmen.

Wer konnte, hatte sich im Haus verbarrikadiert und wartet dort ab, bis die Sonne alles richten würde. Schneebesen oder gar Schaufeln und Schippen sind dem Londoner völlig unbekannt. Er streut weder Salz noch Sand oder Asche. Leider setzt sich die Ignoranz nahtlos beim Autofahrer fort. Auch sie haben noch nie etwas von Winterreifen gehört und sehen auch keinen Grund, die teuren Pneus zu wechseln, bevor das Profil nicht spiegelglatt gefahren ist. Der TÜV ist diesbezüglich großzügig und winkt auch Taxen mit Sommerreifen durch. Dazu kommt, dass die Londoner wenig Erfahrung mit Schnee und Eis haben und deshalb keinen Schimmer, wie sie ihre Fahrweise anpassen könnten. Man steigt ein, vertraut auf ein 10×10 Zentimeter großes Loch, dass man vorher in das Eis der Windschutzscheibe gekratzt hat und startet beherzt wie alle Tage zuvor. Zündung, erster Gang, Kupplung kommen lassen, Gas geben. Und schon drehen die Räder durch. Beim Bremsen passiert ähnliches, aber dann geht es oftmals huiiiiiiih in den Graben. “How could this happen????” Die einzige Frage, die an solchen Tagen überall zu hören ist.