11. Januar 1864

Großer Bahnhof in London. Die South Eastern Railway eröffnet ihre Endhaltestelle in London. Dazu musste eine Brücke über die Themse gebaut werden und gleich dahinter, am Nordufer, der Bahnhof Charing Cross Railway Station. Die Station gibt es noch immer, sie ist Kreuzungspunkt mehrerer U-Bahn-Linien und Endhaltestelle der Fernbahn. 

Der Haupteingang liegt an der Strasse ‘Strand’, ganz in der Nähe des Trafalgar Square. Die Züge nach Kent und East Sussex rollen gleich nach Verlassen des Bahnhofs über die Hungerford Bridge. Links und rechts sind Stege für Fußgänger ergänzt worden, das ist praktisch, wenn man mal eben auf die Südseite der Themse möchte. Und das wollen gerade an dieser Stelle viele Leute, denn dort steht das Riesenrad und andere Touristenattraktionen, die zum Besuch einladen. 

Früher war hier eine große Markthalle, die den Namen Hungerford trug. Markant ist der Bahnhof von allen Seiten. Vom Strand aus sieht man die Fassade eines großen Hotels. Von der Südseite, also über den Fluss, schaut man auf das halbrunde Glasdach, das sich über die Gleise spannt. Besonders auffällig und schön am Abend, denn dann wird es von bunten Lichtern angestrahlt und wirkt wie eine Musik-Arena oder ein ziemlich buntes, gerade gelandetes Raumschiff. Etwas Ähnliches geschieht jeden am Abend, denn dann öffnet dort einer der coolsten Londoner Nachtclubs (Heaven) seine Pforten.

Sehr empfehlenswert ist auch der Comedy Club, der Live Shows anbietet. Er ist relativ klein, also intim, und die Comedians, oft Spitzenleute, sind nicht immer leicht zu verstehen. Manche sprechen zu schnell für mich oder nutzen einen Dialekt (beliebt ist Brummi-English, aus der Gegend um Birmingham), da bekomme ich dann nicht jedes Wort sofort gedanklich übersetzt. Macht aber nix, denn lustig ist es trotzdem. Eines Abends, als es mal wieder hoch herging, war ich so konzentriert auf die Pointen, dass meine angestrengte Mine auffiel. Prompt fragte man mich, warum ich nicht lachen würde, vor allen Leuten, per Mikrofon von der Bühne herab. Ich stammelte: “I’m sorry, I don’t understand your language.” Den Blick, den ich bekam, werde ich nie vergessen. Dann prusteten alle los und konnten sich gar nicht wieder einkriegen. Ich war zum Star des Abends geworden und wurde diverse Male ‘geprüft’, ob der Witz diesmal bei mir angekommen war. Prima Abend, unbezahlbar.

Die Clubs und eine Zeitungsredaktion sind im supermodernen Bürohaus ‘Embankment Plaza’ untergebracht. Es wurde erst in den 90-er Jahren angebaut und ist voll in den Bahnhof integriert. Statt nach oben kann man aber auch in Tiefe hinabsteigen und den Fußgängertunnel zur Craven Street benutzen. Dort unten findet man ein uriges Lokal namens ‘Champagne Charlies’ und wenig später einen Pub, der sich selbst gegenüberliegt, denn die Straße führt mitten durch die Kneipe.

Im Sommer, bei schönem Wetter, ist Charing Cross ein guter Start für einen Tagesausflug. Warum nicht einfach mal das englische Landleben erkunden. Das geht von hier aus prima. Einfach schauen, welcher Zug als nächster abfährt, ein Ticket kaufen und los geht’s. An die Küste nach Brighton braucht man ca. 80 Minuten, nach Canterbury dauert es etwas länger. Aber es lohnt sich, wenn man genügend Zeit mitgebracht hat.